Dolomiten, Karnische und Julische Alpen  [ 17.09. – 24.09.2022 ]

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Am Pordoi-Pass

Durch die schroffen Berge der Dolomiten sowie der Karnischen und der Julischen Alpen führte uns diese herbstliche Radtour. Wir starteten am Brennerpass und radelten von dort zunächst über Sterzing und Bozen talwärts an Eisack und Etsch entlang. Vom Etschtal wechselten wir ins Val di Fiemme, überquerten den Pordoi-Pass am Sellastock und gelangten über den Falzaregopass nach Cortina d'Ampezzo. Durchs Cadore und über diverse Pässe der Karnischen Alpen erreichten wir Bovec in den Julischen Alpen, fuhren von dort über den Vršičpass nach Kranjska Gora und weiter zum Endpunkt unserer Tour, Villach in Kärnten.

[ Landkarte zur Tour ]

Brenner – Bozen Über Nacht waren wir mit dem Nachtzug der ÖBB von Hannover nach Innsbruck gefahren. Dabei hatten wir das relativ neue Angebot für die Nachtzüge der ÖBB genutzt, ein komplettes Sechser-Sitzabteil zu buchen. So hatten wir eine relativ angenehme Nacht – ohne lästige Schnarcher, ohne FFP2-Masken und mit einigermaßen ausreichendem Platz für uns. Zum Brenner hoch ist es von Innsbruck aus mit der Bahn dann nur noch ein Katzensprung.

Am Pass empfängt uns kühler Nieselregen, und wir genehmigen uns erst mal Kaffee und Teilchen in der nahegelegenen Bar, bevor wir losradeln. Vom Brenner führt ein gut ausgebauter Radweg auf der ehemaligen Bahntrasse südwärts, auf dem wir es zügig rollen lassen können. Zum Glück wird auch der Regen immer weniger, je weiter wir talwärts kommen, und die Temperaturen werden angenehmer. In Gossensaß endet die Bahntrasse, es geht zunächst auf kleinen Landsträßchen durch die Dörfer abseits der Hauptstraße weiter – da fordern uns dann auch mal ein paar kurze knackige Anstiege. Kurz vor Brixen ein Stück Wanderweg, dann radeln wir am Eisack entlang, meist auf der ehemaligen Bahntrasse, vollends bis Bozen.

Unterwegs gibt es vieles anzuschauen, immer wieder Ausblicke auf die schroffen Berge der Dolomiten, auf den Anhöhen über dem Tal alte Burgen und Schlösser, und vor allem die malerischen Städtchen Sterzing, Brixen, Klausen sind es Wert, Besichtigungspausen einzulegen. In Klausen findet gerade ein großes Törggelefest statt, und wir haben einige Mühe, uns mit unseren Fahrrädern in den engen Gassen zwischen Festumzug und Zuschauern durchzuzwängen. Die dort geplante Kaffeepause müssen wir leider streichen, heute ist da alles auf Trauben und Wein eingestellt. Fünf Kilometer weiter, in Waidbruck, kommen wir dann endlich zu unserem gewohnten Nachmittagskaffee. In Bozen angekommen besuchen wir zunächst Walther und genießen die spätnachmittägliche Sonne auf dem belebten Hauptplatz, bevor wir zu unserer Unterkunft im Süden der Stadt fahren.

Bozen – Passo San Lugano – Moena Der folgende Tag beginnt sehr angenehm – wir radeln zunächst auf dem Etschtalradweg südwärts. Die Radtrasse verläuft meist auf dem Hochwasserdamm der Etsch, gut asphaltiert und stets leicht bergab, somit sehr zügig zu fahren. Ab Auer wird es dann wieder etwas anstrengender, wir verlassen den Etschtalradweg und erklimmen die Anhöhen der östlichen Talseite. Von Auer aus führte früher eine Schmalspurbahnstecke bis nach Predazzo im Val di Fiemme; der Bahnverkehr wurde 1963 eingestellt und heute ist die ehemalige Trasse ein wunderschöner Rad- und Wanderweg. In tieferen Lagen durch Weinberge, dann durch Apfelplantagen und schließlich in Wäldern führt die Strecke in "bahngerechter", das heißt mäßiger Steigung vom Etschtal bis zum Passo San Lugano. Meist fein geschottert, in kurzen Teilstücken auch mal etwas gröber, lässt sich die Strecke angenehm hochkurbeln – in der ersten Hälfte auch immer mit weiter Aussicht auf das Etschtal und auf die umliegenden Berge.

An der Passhöhe verlässt die Radroute die alte Bahntrasse, über eine asphaltierte Forststraße erreichen wir in rasanter Abfahrt das Ufer des Avisio im Talboden des Val di Fiemme. Dort geht es wieder auf die ehemalige Trasse, hier im Tal gut ausgebaut und durchgängig asphaltiert. In der Wintersaison ist die Radtrasse Teil des ausgedehneten Skilanglaufstreckennetzes im Val di Fiemme. Stets leicht ansteigend radeln wir auf der Trasse über Predazzo bis zu unserem Tagesziel – Moena.

Moena – Pordoipass – Cernadoi Bis Canazei können wir noch die sanft ansteigende Radtrasse im Tal des Avisio nutzen – hier, ab Moena, heißt das Tal aus historischen Gründen Val di Fassa. In Canazei beginnt dann die Auffahrt zum Pordoipass, die in vielen Kehren knapp 800 Höhenmeter überwindet. Die Straße ist sehr gut ausgebaut, mit recht gleichmäßiger, erträglicher Steigung. Das gefällt offensichtlich auch vielen Auto- und Moped-Touris, und so sind wir natürlich nicht allein. Unterwegs phantastische Aussichten auf die umliegenden schroffen Dolomitenberge – Langkofel, Piz Boe und die anderen Gipfel des Sellastocks scheinen zum Greifen nahe. Nicht weit oberhalb der Baumgrenze ist dann die Passhöhe erreicht. Abseits der Straße liegt noch ein wenig Schnee – vor ein paar Tagen hatte es geschneit, und die Sonne hat es noch nicht geschafft, alles wieder abzutauen.

Oben am Pass erinnert ein Gedenkstein an Fausto Coppi, den wohl erfolgreichsten italienischen Radrennfahrer seiner Epoche. Neben vielen anderen Erfolgen gewann er fünfmal den Giro und zweimal die Tour, wurde so zum gefeierten italienischen Nationalhelden. Ihm zu Ehren wird der höchste Gipfel des jeweiligen Giro als ›Cima Coppi‹ geführt, dort gibt es Sonderpunkte für die Bergwertung, in diesem Jahr (2022) war das der Pordoipass.

Auf der rasanten Abfahrt nach Arabba werden wir leider ein paar Mal durch Reisebusse ausgebremst, die an den Engstellen so ihre Probleme haben. Erst als wir sie hinter uns gelassen haben, kommen wir zügig vollends talwärts. In Arabba biegt der Hauptverkehr, insbesondere auch die Reisebusse und die Mopeds, zum Campolongopass ab, folgt somit dem Verlauf der ›Sella Ronda‹. Die bekannte Vier-Pässe-Runde um den Sellastock ist für die Ü70-Bustouris (und nicht nur für die) ein unverzichtbares Highlight ihres Südtirol-Urlaubs, daher entsprechend gut frequentiert. Wir fahren stattdessen weiter im Tal von Livinallongo, zunächst sehr entspannt auf der verkehrsarmen Landstraße. In Andraz beginnt dann der Anstieg zum Falzaregopass; wir radeln noch ein Stück bergauf und bleiben in einem einsam gelegenen Hotel bei Cernadoi über Nacht.

Cernadoi – Falzaregopass – Lozzo di Cadore Da wir früh dran sind, ist noch kaum Verkehr auf der Passstraße, und wir können den Anstieg ungestört genießen. Ebenso die Aussicht von der Passhöhe: Direkt am Pass ragt der Kleine Lagazuoi in die Höhe, im Südwesten erkennt man die Marmolata, den höchsten Gipfel der Dolomiten, mit ihrem riesigen Gletscher. Die Abfahrt vom Pass führt uns an schroffen Dolomitengipfeln – beispielsweise der Tofana de Rozes – vorbei in rasantem Tempo ins Tal nach Cortina d'Ampezzo. Ein prominenter Skiort, Austragungsort der Olympischen Winterspiele 1956, auch jetzt im Spätsommer gut besucht. Wir begegnen dort einem – zumindest in Bergsteigerkreisen – weltberühmten Italiener, Angelo Dibona. Er wurde in Cortina geboren und arbeitete dort als Bergführer, in seiner aktiven Zeit hat er ungezählte neue Kletterrouten in den Dolomiten erschlossen. Ihm zu Ehren trägt beispielsweise die bekannte Dibona-Kante an der Großen Zinne seinen Namen.

In Cortina erreichen wir den Dolomiten-Radweg, der auf der ehemaligen Bahntrasse der Dolomitenbahn von Toblach nach Calalzo führt. Die Schmalspurbahnstecke war im Verlauf des Ersten Weltkriegs erbaut worden, hatte dann später keine allzu große Bedeutung mehr. Der Bahnbetrieb wurde schließlich 1964 eingestellt. Inzwischen ist die Trasse – abgesehen von ein paar kurzen Schotterstücken – komplett asphaltiert, alle Tunnel auf der Stecke sind befahrbar, die längeren ausreichend beleuchtet. Da die Strecke praktisch steigungsfrei oberhalb des Cadoretals verläuft, kommen wir zügig voran, unterwegs immer mal wieder vorbei an den hübsch restaurierten alten Bahnhöfen.

An unserem Tagesziel – Lozzo die Cadore – treffen wir wieder auf einen weltberühmten Italiener, diesmal nicht nur in Bergsteigerkreisen. Ende des 15. Jahrhunderts wurde Tizian im Cadoretal geboren; er zog allerdings schon als Kind nach Venedig, um dort eine Lehre zu machen. Bei den reichen und mächtigen Venezianern machte er dann seine einzigartige Karriere. Eine Bronzestatue auf dem Dorfplatz erinnert an ihn.

Lozzo – Sella Ciampigotto – Tolmezzo Kurz hinter Lozzo verlassen wir das Cadoretal und erklimmen auf einem einsamen kurvenreichen Bergsträßchen den Pass Sella Ciampigotto. Die Gegend ist nahezu menschenleer, nur wenige Autos begegnen oder überholen uns – Genussradeln trotz der Steigung. Am Pass erwartet uns dann als Belohnung für die Aufstiegsmühen die rasante Abfahrt durch das einsame Val Pesarina bis ins Deganotal. Dort bringt uns ein gut ausgebauter Radweg, teilweise wieder auf einer ehemaligen Bahntrasse, am Fluss entlang nach Tolmezzo, dem Hauptort der Region. In einem abendlichen Bummel durch die malerische Altstadt können wir das südliche Flair des Städtchens dann ausgiebig auf uns wirken lassen.

Tolmezzo – Predilpass – Bovec Einige Kilometer nach Tolmezzo treffen wir wieder auf eine ehemalige Bahntrasse, auf der die ›Ciclovia Alpe Adria‹ verläuft. Eine recht beliebte Alpenüberquerung, die von Salzburg nach Grado an der Adria führt, von der EU gefördert und überwiegend sehr gut ausgebaut. Leider können wir den bequemen Radweg nur ein kurzes Stück weit nutzen, dann geht es ab Chiusaforte wieder bergauf. Auf einem verkehrsarmen Bergsträßchen fahren wir zum Neveasattel hoch. Am Pass gibt es ein kleines Skiresort; jetzt, im September, macht das natürlich einen ziemlich verlassenen Eindruck.

Der Weiterweg führt durch ein bewaldetes Hochtal zum Lago del Predil, einem malerisch gelegenen, daher auch gut besuchten Bergsee. Danach erwartet uns noch eine kurze Rampe, dann haben wir den Predilpass an der italienisch-slowenischen Grenze erreicht. Auf gut ausgebauter Straße können wir es von da nach Bovec, unserem Tagesziel, zügig rollen lassen. Bovec ist ein beliebter slowenischer Urlaubsort für Sommer- und Winteraktivitäten. Im Sommer Rafting und Kajaktouren auf den Bergflüssen, im Winter Skiabfahrten von den durch Bergbahnen erschlossenen Gipfeln sind die bevorzugten Sportarten. Wir sind froh, in der ruhigen Zwischensaison da zu sein.

Bovec – Vršičpass – Kranjska Gora Etwas oberhalb von Bovec hat sich die Soča, einer der Bergflüsse dort, 10 bis 15 Meter tief in den Kalkstein des Karsts eingegraben. Von der Straße aus ist nur wenig davon zu sehen, daher lassen wir die Räder an einem Wanderparkplatz stehen und gehen auf einem Wanderweg ein Stück direkt an der Schlucht entlang.

Auf der Straße im Sočatal geht es anschließend in zunächst angenehmer Steigung flussaufwärts, später wird es dann deutlich anstrengender – viele Kurven und maximal 15 % Steigung bis zum Scheitelpunkt des Vršičpasses. Die Passstraße wurde im Ersten Weltkrieg von russischen Kriegsgefangenen als Militärstraße gebaut und diente damals als wichtiger Nachschubweg für die österreichisch-ungarischen Truppen. Als höchste für den allgemeinen Kraftverkehr befahrbare Passstraße Sloweniens hat sie inzwischen nur noch touristische Bedeutung. Die Passhöhe ist Ausgangspunkt für Wanderungen und Bergtouren in der Region, und die Passstraße ist natürlich ein must für kurvenfeste Mopedler, die ihre Pässesammlung erweitern wollen.

Die Abfahrt vom Pass über die nordseitige Rampe erfordert leider eine relativ defensive Fahrweise: in allen Haarnadelkurven liegt noch das ursprüngliche Kopfsteinpflaster, und dessen Rutschfestigkeit ist schwierig einzuschätzen. So hat man aber auch mehr Zeit für die Aussicht auf die schroffen Berge der Umgebung. Und für die Besichtigung der hölzernen orthodoxen Kapelle, die auf etwa halber Höhe der Abfahrt an die beim Bau der Straße umgekommenen russischen Kriegsgefangenen erinnert. Im unteren Bereich ist die Straße gut ausgebaut und wir erreichen zügig unser Tagesziel, Kranjska Gora, den wohl bekanntesten Wintersportort Sloweniens. Die vielen Hotels, Cafés und Shops im Ort deuten an, dass zur Hauptsaison dort der Bär los ist. Jetzt, im Frühherbst, ist es angenehm ruhig.

Kranjska Gora – Villach Von Kranjska Gora aus radeln wir auf der exzellent ausgebauten Trasse der ehemaligen König-Ludwig-Bahn westwärts. Diesmal ohne Abstecher nach Planica – die umfangreiche Skispungschanzenansammlung hatten wir bei unserer letzten Radtour in Slowenien schon genügend gewürdigt. Stattdessen schauen wir uns die direkt unterhalb des Mangart-Massivs gelegenen Lagi di Fusine an. Von den Berggipfeln ist allerdings leider wenig zu sehen, dunkle Regenwolken ziehen von Süden her auf und versuchen, über die Berge zu kommen. Heute schaffen sie's zum Glück noch nicht, so dass wir auf der Weiterfahrt trocken bleiben.

Bei Tarvisio treffen wir wieder auf die ›Ciclovia Alpe Adria‹, der wir aber nur ein paar Kilometer folgen. Wir haben noch übrige Zeit und gönnen uns daher einen kleinen Umweg über das Gailtal, erreichen Villach dann auf dem Gailtalradweg.

Am nächsten Tag hat es die Regenfront über die Berge geschafft, und so werden wir auf dem Weg zum Bahnhof in Villach doch noch ein wenig nass, bevor uns der durchgehende EC ins Ruhrgebiet bringt. Ausnahmsweise einigermaßen pünktlich . . .