Sardiniens Westküste: Von Alghero nach Pula  [ 08.10. – 13.10.2018 ]

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Bachdurchfahrt unterwegs

Nach einer heftigen Küstenwanderung auf alten Hirtenwegen an der Ostküste Sardiniens (Selvaggio Blu) blieben wir noch eine weitere Woche auf der Insel, um uns per Fahrrad die Westküste ein wenig anzusehen.

Diese Radtour führte uns von Alghero im Norden auf kurvenreicher Küstenstraße nach Bosa, von dort nach einem Schlenker durchs Landesinnere nach Cabras, weiter an der Küste entlang südwärts, schließlich über die Inseln San Pietro und Sant'Antioco zur Südküste und an dieser entlang nach Pula.

[ Landkarte zur Tour ]

Da wir die Tour mit Leihrädern machen wollten, hatten wir uns mit einem der größeren Fahrradverleiher auf Sardinien (Dolcevita Bike Tours) in Verbindung gesetzt. Diese Firma bietet einige fertig ausgearbeitete Touren an, die auch von deutschen Veranstaltern (z. B. Wikinger-Reisen) übernommen und angeboten werden. Dazu auch die jeweils benötigten Übernachtungsmöglichkeiten in Hotels oder Agriturismo-Betrieben. Auf dieser Basis planten wir unseren individuellen Tourenverlauf und ließen uns die Hotels von der Verleihfirma buchen. Räder und Packtaschen wurden am Startort bereitgestellt, am Ziel konnten wir sie zur Abholung stehen lassen.

Mit Bahn und Bus ereichen wir am Vorabend den Startort unserer Tour, Alghero. Die Räder sind schon im Hotel bereitgestellt, nach ein paar Telefonaten erreichen wir auch den vor Ort zuständigen Repräsentanten des Verleihers. Wie gewohnt haben wir unsere eigenen Click-Pedale dabei, das Ummontieren ist kein Problem.

Bevor wir losradeln, schauen wir uns noch einen halben Tag lang Algheros Altstadt an. Sie liegt strategisch günstig auf einem Felsvorsprung und ist von einer imposanten Stadtmauer umschlossen. Alte Steinkatapulte, die dort ausgestellt sind, deuten an, dass die Stadt im Mittelalter wohl öfter von der Seeseite her angegriffen wurde. Im Stadtinnern sind noch viele mittelalterliche Gebäude und Kirchen gut erhalten und lohnen einen ausgedehnten Bummel über die schmalen Gassen und Treppen.

Von Alghero fahren wir auf der Küstenstraße nach Süden. Die schlängelt sich – gut ausgebaut – in stetem Auf-und-Ab durch die Macchia und eröffnet immer wieder atemberaubende Ausblicke auf die Felsküste und die karge Landschaft. Die Region ist dünn besiedelt und jetzt weit außerhalb der Saison sind auch kaum Touris unterwegs, so haben wir die Straße fast für uns alleine. Nach knapp 50 km ist Bosa erreicht, laut SardegnaTurismo »bekannt als einer der malerischsten Orte Italiens«. Die Altstadt mit ihren engen Gassen und hohen Häusern liegt in der Tat sehr idyllisch am Ufer des Temo unterhalb der Burgruine des »Castello Malaspina« aus dem 12. Jahrhundert. Die wir natürlich am Abend noch besuchen müssen – über steile Treppchen zu Fuß.

In Bosa endet die gut ausgebaute Küstenstraße, wir müssen auf kleinen Landstraßen durch Olivenhaine und Weinberge ein Stück ins Landesinnere, kurven- und steigungsreich. In rasanter Fahrt geht es dann wieder zur Küste zurück, wir umfahren dort den größten Lagunensee Sardiniens, den Stagno di Cabras, und kommen in den nordwestlichen Teil der Campidano-Ebene um Oristano. Diese Gegend ist ausgesprochen fruchtbar und wird daher intensiv landwirtschaftlich genutzt. Für Radlerin und Radler eher etwas langweilig.

Ein Stück weiter südlich wird's dann wieder hügeliger. In diesem Gebiet wurde bis in die sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts intensiv Bergbau betrieben. Laut sardinien.de wurde hier »Blei und Zink, Kohle und Anthrazit, Gold und Silber, Eisen, Fluorit, Talk und vieles mehr« gefördert. Nach und nach wurden die Bergwerke jedoch aufgegeben, da sich der Abbau nicht mehr lohnte. Die Anlagen verfielen, die Bergarbeiterdörfer wurden verlassen. Der »Parco Geominerario della Sardegna«, in dem alle ehemaligen Bergbaugebiete Sardiniens zusammengeschlossen sind, ist heute UNESCO Welterbe.

Auf unserer Weiterfahrt kommen wir an einigen dieser Industriedenkmäler vorbei. Doch zunächst fahren wir auf kleinen Sträßchen an der felsigen Küste entlang nach Süden. Irgendwo endet der Asphalt, über Sand- und Kiespisten mit mehreren Bachdurchfahrten erreichen wir schließlich den Strand von Piscinas mit der vom Mistral geformten wohl höchsten Düne Sardiniens, der Dune di Piscinas. Der sieben Kilometer lange Sandstrand ist fast menschenleer – es ist Anfang Oktober, Off-Season.

Von der Küste radeln wir wieder landeinwärts, bergauf im Tal des Naracauli. Dort war eines der wichtigsten Bergbaugebiete Sardiniens, von 1855 bis 1968 wurden Blei, Zink und Silber abgebaut. Unterwegs passieren wir einige Relikte aus dieser Zeit: riesige Abraumhalden an den Talhängen, die Ruine einer ehemaligen Erzwaschanlage, den alten Förderturm einer Mine und schließlich die weitgehend verlassene Ortschaft Ingurtosu. Dort war ehedem der Hauptsitz der Bergwerksgesellschaft, das schlossartige Verwaltungsgebäude erinnert noch daran. Nach dem Ende des Erzabbaus gab es für die Einwohner dann keine Erwebsgrundlage mehr, Ingurtosu wurde zu einer Geisterstadt.

Noch ein Stück weiter im Landesinnern, in der Nähe von Arbus, bleiben wir für eine Nacht in einem Agriturismo-Gasthof. Diese auf Bauernhöfen basierenden Landhotels sind in der Regel auf regionale Gerichte spezialisiert, rustikal und üppig. So auch hier, zum Abendessen an der großen gemeinsamen Tafel wird aufgetischt, was die Gegend zu bieten hat. Landestypischer Ziegenbraten, eine Vielfalt schmackhafter Salate und Gemüse, diverse Wurst- und Käsesorten aus eigener Herstellung und, und, und . . .

Am nächsten Tag fahren wir wieder an die Küste und an dieser entlang bis zum Hafen von Portoscuso. Auch auf dieser Strecke immer wieder Erinnerungen an die Ära des Bergbaus in der Gegend. So die verlassenen Siedlungen in Masua oder die Ruine der Erzwäscherei Lamarmora bei Nebida, in der Blei- und Zinkerz gewaschen wurde. Von Portoscuso setzen wir mit der Fähre nach Carloforte auf der kleinen Insel San Pietro über und von dort weiter nach Calasetta auf der Insel Sant'Antioco.

Auf kleinen, teilweise etwas grenzwertigen Sträßchen umrunden wir die Insel, bevor wir wieder das Festland erreichen. Die Landschaft ist jetzt geprägt durch zahlreiche Lagunen, dazwischen große flache Becken zur Salzgewinnung. Flamingos, Kormorane und andere Vögel finden hier reichlich Nahrung. Anschließend geht es, weiterhin meist flach, im südwestlichsten Zipfel Sardiniens an der Costa del Sud entlang. Unterwegs ausgedehnte Sandstrände, saisonbedingt fast leer, dazwischen immer mal wieder einer der für Sardinien typischen Wachttürme, die im Mittelalter gegen die Piratenüberfälle der Sarazenen erbaut wurden. Nach einem Abstecher zu den Ausgrabungen der wohl ältesten Stadt Sardiniens, dem von den Phöniziern gegründeten Nora, erreichen wir schließlich Pula, das Ziel unserer Radtour.